„Mit seiner ablehnenden Beurteilung des Großstadtraums stellt Wirner sich in die Traditionslinie vieler Soziologen wie u.a. Georg Simmel oder Richard Sennett, die den Stadtraum bereits vor Jahren als sachlichen und gefühlskalten Ort abgetan haben. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt auch Wirner in seinem Werk und es darf wohl niemanden verwundern, dass die Stadt fast ausschließlich in der Nacht beschrieben wird. Wirner stilisiert die Großstadt damit in erster Linie als dunklen und zugleich unheimlichen Raum, dem jegliches Idyllisch-Naturhafte abgesprochen wird“. (Corinne Theis auf dem Literaturportal Bayern)
Über die Ausstellung „Landschaft in Plastik“:
„Beim näheren Hinsehen wird deutlich, was der Künstler mit seinen Bildern ausdrücken will: nämlich die Zerstörung der Natur durch Plastik. Wirner ist Autor. Er ist aber auch ein leidenschaftlicher Spaziergänger und Maler. Und so hat es sich der Wahl-Berliner angewöhnt, bei seinen Wanderungen durch die Oberpfalz, Niederbayern und Böhmen den Zeichenstift mitzunehmen. (…) Im Zentrum des Vortrags stehen Klagerufe, nein Hilfeschreie, an den Indianerstamm der Assiniboine, mit dem er einerseits das natürliche Leben, anderseits den frühen Handel mit den Weißen und Kriege mit den Sioux verbindet. „Diese Widersprüchlichkeit sehe ich als Bild für unser Dasein: indem wir ständig alles mitmachen und gleichzeitig zurück zur Natur wollen.“ Die Erde sei ein schwerer, alter Planet geworden durch die Menschen. „Keif du nur, du schwarzer Teufel. Ich aber sehe hinter deine Maske.“ Und setzt im Flüsterton nach: „Durch dich durch.“ (Helmut Kunz, Der neue Tag)
Über „Installation Sieg“:
„Die Idee war so einfach wie genial, und Wirner zog seine Praktik der ‚Entwendung‘ bis ins Detail durch. Er schrieb der Chronik des Kosovokrieges durch raffinierte Montage der mitunter haarsträubenden Kriegsberichterstattungen und -kommentaren eine neue Dramaturgie. Was Wirner aber ironisch eine ‚Kalligrafie des Krieges‘ nennt – ‚Installation Sieg‘ besteht letztlich aus einer Aneinanderreihungen von Deutschland-Lobliedern und Kriegseuphorismen – ist in Wahrheit ein entlarvendes Machwerk. Durch die Verdichtung des gesammelten Materials kristallisierte sich der nationalistische, rassistische und mitunter auch faschistische Subtext der Autoren heraus. Wirner ließ die Texte für sich sprechen, und was er dabei an ideologischen Unterströmungen zu Tage förderte, war so unglaublich, dass man es heute – gerade nach den Enthüllungen um Racak und Uranmunition – schon fast für Satire halten könnte.“ (Andreas Busche, taz)
„Stefan Wirner hat also keineswegs eine ‚Kalligraphie‘, also eine Schönschrift des Bombenkrieges der Nato gegen Slobodan Milosevic Jugoslawien verfasst, wie er im Untertitel seines Büchleins meint. Genauso wenig ist das Büchlein ‚ein modernes Epos‘, also eine Darstellung eines sagenhaften, mythischen Geschehens. Vielmehr spiegelt ‚Installation Sieg‘ gekonnt die Sicht der bundesdeutschen Presse auf den jüngsten Krieg auf dem Balkan in all ihrer Ahnungslosigkeit ob der balkanischen Wirklichkeit.“ (Rüdiger Rossig, taz)
Über „Berlin Hardcore“:
„Auf die Spitze treibt dieses Mixverfahren der Berliner Schriftsteller Stefan Wirner. In seinem komplett aus fremden Zitaten zusammengesetzten Buch ‚Berlin Hardcore‘ findet sich auch ein Kapitel zur Loveparade. ‚Menschenmengen in Bahnhöfen, schlafende Raver in Autos: Gestern war Abschiedstag nach der Loveparade. Tausende Raver von außerhalb fuhren nach Hause. Die Stimmung: müde, aber glücklich.‘ Seltsam: Was Wirner da aus gefundenen Zeitungsartikeln zusammen geschnitten hat, klingt fast schon wie authentische Loveparade-Literatur.“ (Aram Linzer, Frankfurter Allgemeine Zeitung)
„Auf 115 Seiten reiht es wie schon das Vorgängerwerk ‚Installation Sieg‘ kommentarlos die Gräueltaten schmissiger Zeilenschinder und wackerer Phrasendrescher aneinander und stellt damit ein vor Absurdität triefendes Abbild der Berliner Verhältnisse dar. Ein Ratschlag des amerikanischen Kultautoren William S. Burroughs inspirierte Wirner zu dieser Montagetechnik: ‚William S. Burroughs hat einmal gesagt: Gehe in einen Supermarkt, nimm die Geräusche auf, spiele sie vor dem Supermarkt mit einem Tonbandgerät ab, und du wirst ein Höchstmaß an Verstörung erreichen‘.“ (Gunnar Lützow, Spiegel online)
Über „Schröderstoiber“:
„Stefan Wirners ‚Schröderstoiber‘ ist eine aufklärerisches Buch. Abseits von allem Parteitagswortgeklingel, das Fachreferenten und Redenschreiber formulieren, offenbart es, was Kanzler und Kandidat wirklich sagen.“ (Rüdiger Rossig, taz)
Aus der Forschung
„Dass Literatur für sich der deutlichste Einwand gegen Krieg sei, findet des Weiteren Niederschlag in literarischen Arbeiten. Programm schon bei Handkes Winterlicher Reise bzw. Gerechtigkeit für Serbien einige Jahre früher (1996), liegt die Emphase des literarischen Worts gegen die praktisch gültige Politik auch dem aktuellen Diskursstück ‚Installation Sieg. Kalligraphie des Krieges‘, das Stefan Wirner 1999 veröffentlichte, und dem erst 2007 herausgebrachten genrehybriden Marslanzen oder Vasallen recht sein muss von Uwe Dick zugrunde. Alle diese (literarischen) Wortbeiträge beweisen Gegenwartssinn, sie sind mitnichten ignorant gegenüber aktueller Politik oder wohleingerichtet im ‚Elfenbeinturm‘. Zugleich, so meine These, formulieren sie darin eine Kritik, die sich mit einem profunden, aber nun politisch harmlosen Idealismus plausibilisiert. Angesichts diskursiver wie praktischer Erfolglosigkeit ihrer Kriegskritik beharren sie nicht auf dem Inhalt ihrer Kritik, sondern rechtfertigen die Kritik mit ihrem Status als Literatur. Dadurch scheint das Verhältnis auf den Kopf gestellt: Der politische Einwand der Literatur bewahrheite sich in ihrer praktischen Ungültigkeit. Das wird als Selbstbewusstsein vortragen. Nolens volens ist damit die literarische Kritik an der Politik dessen Affirmation.“
(Dr. Steffen Hendel: Die verstiegene Affirmation des Kriegs … durch seine literarische Kritik. Die literarische Debatte und Produktion anlässlich der deutschen Kosovo-Intervention 1999, Zur Tagung „Das Politische in der Literatur der Gegenwart“)
„Wirner montiert ausschließlich Sätze aus Zeitungsartikeln, Essays und Reden zu einer irritierenden und oftmals die mediale Berichterstattung bloßlegenden ‚Textinstallation‘. Dergestallt fügt er z.B. auch seitenweise Fragmente der medialen Berichterstattung über die Love Parade in Berlin zusammen, um sowohl die mediale Informationsflut zu bewältigen als auch die ideologisch aufgeladene und zynische Sprache zu dekonstruieren (gl. Wirner: Berlin Hardcore, S.92-98). Dabei verweisen Wirners Materialstudien einerseits auf Mittel der Zweckentfremdung, wie sie die Situationisten propagierten, andererseits erinnert Wirners ästhetisches Konzept auch an Williams S. Burroughs’ Cut-up-Experimente und sein ‚Playback‘-Konzept. Dergestalt bezeichnet auch Wirner seine Verarbeitung der medialen Berichterstattung immer wieder als tägliche Abwehrleistung, die dazu dient, sich dezidiert mit den Mechanismen der medialen Informationsflut auseinanderzusetzen.“
(Markus Tillmann: Populäre Musik und Pop-Literatur: Zur Intermedialität literarischer und musikalischer Produktionsästhetik in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur)